Das Haus der 600 Ballen

Stroh als Baustoff kommt auf Mallorca in Mode. Schließlich kostet ein Strohhaus nicht mehr als ein konventionelles Standardheim. Architekt Rafael Sala setzt auf der Insel konsequent auf Stroh statt Stein.

Es riecht nach Stroh und feuchtem Lehm. Die Füße versinken in weichem Streu. Mauersteine, Mörtel, Zement – Fehlanzeige. Hier regiert Frau Natur. Das 250-Quadratmeter-Objekt auf zwei Etagen zeigt ganz offen seine robusten Wände. In ihrem Herzen tragen sie Strohballen, 45 Zentimeter dick jeder einzelne, rund 600 an der Zahl. „So sieht eine Standard-Dämmung eines Öko-Hauses aus“, erklärt Rafael Sala, ein echter Strohmann. Bei ihm dreht sich alles um die hellen Halme. Rafael Sala ist Architekt, spezialisiert auf Strohhäuser. Er hat sich ganz und gar der ökologischen Bauweise verschrieben. Und dafür ist Stroh nun mal ein Material par excellence. Sein erstes Strohhaus wurde 2009 in Selva fertig gestellt. Weitere folgten. Derzeit wird ein Gebäude bei Inca errichtet. Eine mallorquinische Familie will sich den Traum vom biologischen Wohnen verwirklichen, mit einem Haus aus gesunden Baustoffen, mit hoher Energie-Effizienz.

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Einmal rasieren, bitte!

Strohballen auf Mallorca kosten um die 2 Euro – und sind damit sogar günstiger als andere Dämmstoffe. Das Stroh ist extrem gepresst und sehr trocken. Ballen für Ballen wird fein säuberlich nebeneinandergereiht und exakt übereinander gestapelt. Dann heißt es: einmal rasieren, bitte! Allzu vorwitzig hervorstehende Halme werden gestutzt, die Front geglättet, damit sie schön gleichmäßig ist. Anschließend – adiós du schönes Strohgelb – werden mehrere Lehmschichten aufgetragen, immerhin rund vier Zentimeter dick. Bevor am Ende die Außenfassade mit einer Lehm-Kalk-Schicht verputzt wird. Wie trotzt so ein Naturkind Wind und Wetter und der mallorquinischen Luftfeuchtigkeit? „Kein Problem“, beschwichtigt Sala. Feuchtigkeit wird sofort abgeleitet. Materialien Stroh und Lehm wirken wie eine natürliche Klimaanlage. Das ganze System atmet! Das nennt man Belüftung auf Top-Niveau.

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„Feuchtigkeits-Monitoring“ von der Uni

Um ganz sicher zu gehen, wird im Inca-Haus ein „Feuchtigkeits-Monitoring“ durchgeführt, wissenschaftlich begleitet von der Universität der Balearen. Drei Sensoren wurden in den Strohwänden installiert, die ihre Daten direkt auf die Computer der Forscher senden. Eines der grundlegenden Kriterien beim Bio-Bau – bioconstrucción sagen die Spanier – ist die lokale Herkunft der Materialien. Das allerdings ist auf Mallorca so eine Sache. „Es gab sie einfach oft nicht“, sagt Sala, der dabei ist, ein Netzwerk vom Landwirt über den ökologisch arbeitenden Schreiner bis hin zum Dämmstoff-, Farb- und Holz-Händler  aufzubauen, und zwar spanienweit. Wer auf Nachhaltigkeit und Energiesparen setzt, verwendet Werkstoffe aus der Nähe, die keinen weiten Transportweg hinter sich haben.

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Ökoholz und umweltfreundliche Lacke

Doch mittlerweile klappt das Ganze schon recht gut. Wenn auch mitunter noch Holz etwa für die Grundkonstruktion oder die Innenvertäfelung importiert wird. Natürlich mit internationalen Nachhaltigkeits-Zertifikat des FSC (Forest Stewardship Council). Versteht sich von selbst, dass das Holz nur mit umweltfreundlichen Farben und Lacken behandelt wird und schädliche Substanzen, wie etwa Raumluft belastende, flüchtige Kohlenwasserstoffe, vermieden werden. Wo es doch Alternativen gibt: Ölen zu Beispiel. „Auf Mallorca gibt es leider so gut wie keine Holzindustrie mehr“, sagt der Öko-Architekt. Da stoßen natürlich Enthusiasten wie Sala an ihre Grenzen, weil der Markt bestimmte Produkte schlichtweg nicht bietet. Deshalb hat der Mann zwei Wünsche. Erstens, dass sich mehr Menschen fürs biologische Bauen entscheiden und die Nachfrage nach diesen Produkten steigt. Dann reagiert der Markt. Und zweitens, dass auf der Insel mehr Wald gepflanzt wird. Damit Holz in Zukunft vor Ort zur Verfügung steht.

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Viel Überzeugungsarbeit bei den Behörden

Zunächst war es auf der Insel nicht einfach, eine Baugenehmigung zu bekommen. Eigenartig, denn so extravagant ist ein Strohhaus nun auch wider nicht. Es besteht aus Materialien besteht, die seit Jahrhunderten im Hausbau verwendet werden. Die Beamten jedenfalls runzelten am Anfang ratlos die Stirn, als da so ein junger Öko ankam und alles anders machen wollte. Doch diese Hürden sind mittlerweile genommen. Die Vorteile liegen denn auch auf der Hand. Nehmen wir die Strohballen. Sie haben die beste CO2-Bilanz aller Baustoffe. Erstens handelt es sich um einen jährlich nachwachsenden Rohstoff, der zweitens fast überall lokal verfügbar ist. Und zu deren Herstellung man drittens nur einen minimalen Primär-Energieeinsatz benötigt. Kurzum: Das macht die Halme zu einem ökologisch äußerst wertvollen, nachhaltigen Baustoff. Stroh verfügt zudem über ein außerordentlich hohes Wärmedämmvermögen, so dass diese Häuser ihren Energiepass stolz präsentieren können. „Ein Strohhaus muss man auch im Winter auf Mallorca kaum heizen“, sagt Sala.

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Nicht teurer als konventionelle Häuser

Mehrfach verglaste Fenster, gekonnte, ausgeklügelte Lichtsteuerung, die natürliches Licht in alle Räum leitet, Photovoltaik auf dem Dach tun das Ihrige. Und: Das Wohnklima in einem Ökohaus ist äußerst angenehm. Strohwände sind Schallschutzkünstler und sollen sogar gegen Elektrosmog-Belastung abschirmen. Kurzum: Man tut sich selbst und der Umwelt etwas Gutes. Denn selbst am Ende seines Lebens macht ein Strohhaus keine Probleme, können die Materialien doch wiederverwendet oder umweltfreundlich entsorgt werden. Die gute Nachricht zum Schluss:  Was kostet so ein Öko-Haus? „In der Regel schlägt es mit 1.200 bis 1.500 Euro pro Quadratmeter zu Buche“, lautet Salas Antwort. „So viel wie hier ein normales Standardhaus auch …“

Übrigens ist vor kurzem auch das erste Passivhaus auf Mallorca fertig gestellt worden. Es kommt komplett ohne Fremdenergie aus.

Nützliche Adressen

Rafael Sala Nowotny, C/. Germans Perelló 22, 07340 Alaró, arquitecto@rafaelsala.es, www.rafaelsala.es, Tel.: +34 660–98 14 21

Red de Construcción con Paja, www.casasdepaja.org

Kirsten Lehmkuhl