Symbol der Liebe und der Sünde

Feigenbäume gehören seit über 2.000 Jahren zu Mallorca. Mehr als 250 heimische Feigenarten gibt es auf den Balearen. Die Römer kultivierten sie, später auch die Araber und Mauren, die vom 10. Jahrhundert an mehr als 300 Jahre die Insel beherrschten. Unsere Garten-Expertin Karen zeichnet hier die Geschichte des Feigenbaums auf, der im Sommer so wunderbar Schatten spendet und köstliche Früchte trägt – und im Mittelalter sogar zum Symbol der Sünde wurde.

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Jeder kennt es: Das Herz, als universelles Symbol der Liebe. Aber wussten Sie, dass der Ursprung der Herzform die Frucht des Feigenbaumes ist? Die aufgeschnittene Feige mit ihrem roten Fruchtfleisch hat die Menschen schon vor mehr als 11.000 Jahren dazu inspiriert, sie mit Liebe und Sinnlichkeit in Verbindung zu bringen.

Der Feigenbaum ist die älteste Kulturpflanze der Menschheit, das bestätigen neueste archäologische Funde von etwa 11.400 Jahre alten Überresten getrockneter Feigen, die in einer jungsteinzeitlichen Siedlung im heutigen Westjordanland ausgegraben wurden. Dass es sich nicht um wilde Feigenbäume, sondern um Kulturpflanzen handelt, weiß man, weil nur veredelte Feigenbäume die großen süßen Früchte hervorbringen.

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Somit wäre die Feige als Kulturpflanze mindestens 1.000 Jahre älter als die ersten Getreidegräser, zudem rund 5.000 Jahre älter als Weintrauben, Oliven und Datteln. Mit Feigenblättern, und da könnten die Bibel sowie zahllose Bildhauer und Maler Recht haben, hätte das aus dem Paradies vertriebene Paar Adam und Eva sehr wohl ihre Scham bedecken können. In ihrer Epoche war der Apfel im Orient nicht bekannt, deshalb war die verbotene Frucht im Garten Eden mit Sicherheit kein Apfel, sondern eine Feige.

Wegen ihrer Wichtigkeit als Lebensmittel erlangte die Feige eine große symbolische Bedeutung. Ursprünglich stand sie für Fruchtbarkeit und sinnliche Liebe. Sie wurde wegen ihrer Form mit dem weiblichen Geschlecht in Verbindung gebracht. Im 12. und 13. Jahrhundert tauchen die ersten Feigenblätter in der Literatur und in den Minnegesängen auf. Sie wurden in Rot gezeichnet, der Farbe des Blutes, dem Symbol des Lebens, des Wohlstands und des Glücks. Ende des 15. Jahrhunderts erscheint die stilisierte Feigenfrucht zum ersten Mal in den Spielkarten als Herz, was bis heute auch so geblieben ist.

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Mit der zunehmenden Sexualfeindlichkeit im Mittelalter verdrehte sich die Bedeutung von Sinnlichkeit und Liebe unter dem Einfluss der Kirche in Unkeuschheit und Faulheit. Die Vorstellung verfestigte sich und wurde zum Inbegriff einer obszönen Geste des Geschlechtsverkehrs: Der „mano in fica“ oder Feigenhand, bei der ein Daumen zwischen Zeige- und Mittelfinger geklemmt wird. Die „fica“ oder Feige prägte ein Vulgärwort für den Geschlechtsverkehr. „Mit der Feig’n hausieren“ gilt in Wien als volkstümlicher Ausdruck für Prostitution, und ein Schürzenjäger ist ein „Feigen-Tandler“. So ist die älteste Kulturpflanze zugleich zum Ausdruck für höchste Herzensgefühle und niedrigste Begierden geworden. Auch das „Herzerl“, das wir vom „stille Örtchen“ kennen, stammt ursprünglich von der Feige.

Falls Sie noch keinen Feigenbaum im Garten haben und nun, mit dem Wissen um seine Geschichtsträchtigkeit, unbedingt eine Feige pflanzen möchten, sollten sie ein paar Dinge beachten: Feigen stellen geringe Ansprüche an den Boden, sie kommen sowohl mit dem hohen pH-Wert der kalkhaltigen Erde Mallorcas als auch mit salzhaltiger Luft am Meer zurecht. Selbst mit leicht salzigem Wasser kann man sie sprengen.

Wichtig ist nur, dass der Boden tiefgründig ist. Ist ihnen auf einem Spaziergang durch die Natur schon einmal ein Krater ähnliches Loch begegnet? In solchen Tiefen wurde nach bäuerlicher Tradition der Steckling eines Feigenbaumes gepflanzt. Mit den Jahren, in denen er nach oben wächst wird feinste Erde nachgefüllt und eines Tages, viele Jahre später, wenn er als stolzer Baum über den Feldern thront, ruhen seine Wurzeln tief in bestem Boden und können trockene Phasen ausgezeichnet überstehen.

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Beim Anblick großer Feigenbäume im Garten-Center ist der Gedanke verführerisch, mal eben 30 Jahre zu überspringen – und sich einen gestandenen Baum in den Garten zu pflanzen. Wenn Sie es versuchen möchten, müssen sie ein gigantisches Loch graben, das mindestens so groß ist wie der ganze Baum. Dieses muss mit gutem Humus aufgefüllt werden. Nur dann hat Ihr Plan Aussicht auf Erfolg. Also wechseln Sie besser die Taktik: Junge Feigen mit einem Stammumfang bis zu 25 Zentimeter wachsen sehr viel leichter an, sie überholen die alten Bäume meistens nach einigen Jahren mit zügigem Wachstum und dichter Blätterkrone. Immer unter der Prämisse, dass sie für ein großes Pflanzloch und ausreichende Bewässerung gesorgt haben.

Feigenbäume verlieren im Herbst ihre Blätter, für einen Laien sehen sie in den Wintermonaten wie tot aus – bizarre Baumskelette auf grünen Wiesen unter blauem Himmel. Aber keine Sorge, im März treiben die Feigen wieder aus. Und wenn Sie alles richtig gemacht haben, können Sie sich im Sommer über süße Früchte und ein ausladendes Schattendach freuen, unter dem eine ganze Familie Platz hat.

Und wer ganz verrückt nach Feigen ist, findet auf Mallorca sogar ein wahres Paradies vor: die Finca Son Mut Nou bei Llucmajor. Dort betreibt Montserrat Pons sein „Experimentier-Feld“, wie er es nennt. Rund 1.700 Feigenbäumen mit fast 700 Sorten aus 64 Ländern hat der gelernte Pharmazeut dort angebaut. Wer diesen Garten Eden der Feigenbäume besuchen will, muss sich allerdings vorher per E-Mail (visites@sonmutnou.com) anmelden.

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