Leben mit Kunst

Mit 18 fing alles an. Sein erstes Kunstwerk kaufte Toni Garau Oliver für 50.000 Peseten – eine Zeichnung des Argentiniers Citadinni, der auf Mallorca lebte. Umgerechnet rund 300 Euro waren das. Heute ist Toni 52, und die Leidenschaft für Kunst ist ungebrochen. „Pasión“ sagt er, anders könne man es nicht bezeichnen. Das Wort „Geschäft“ will ihm, dem Kunst- und Antiquitätenhändler aus Palma, nicht so über die Lippen kommen. Aus gutem Grund: „Immer, wenn ich etwas von meiner Kunst verkaufe, stirbt etwas in mir.“ So ist das, wenn man mit dem Herzen kauft … Dabei ist stets das erste Gefühl entscheidend. „Ich kann manchmal eine Woche lang nicht schlafen, wenn ich ein gutes Werk gesehen habe. Es ist erst Ruhe, wenn ich es erstanden habe.“

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Privatsammlung mit mehr als 1.000 Werken

Mehr als 1.000 Werke umfasst seine private Sammlung. Und das bedeutet: Es ist schlicht unmöglich, für alles einen schönen Platz zu finden. Doch immerhin haben rund 150 in seinem Haus bei Bunyola ihren ziemlich großen Auftritt. Werke von Mallorquinern und Schweden sind es, von Deutschen und Peruanern, von Katalanen und Schotten, Amerikanern und Thailändern … Eine wunderbare bunte Mischung, die dieses Haus zu einer lebendigen Galerie macht. Man schlendert umher, staunt, stutzt, freut sich über gekonnte Kombinationen.

Schöne Rundungen, höchst selbstbewusst

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[column]Schon der Auftakt im Garten: diese rote Skulptur von Santiago Villanueva. Floating Balance II heißt sie. Den Namen hat sie sich verdient. Wie sie sich in den Himmel reckt und dabei kein bisschen aus dem Gleichgewicht bringen lässt! Als hätte sie ihr liebes, langes Leben nichts Anderes getan. Wohl geformt mit schönen Rundungen und höchst selbstbewusst. Kaum hat man die Villa betreten, werden die Augen von einer effektvollen Kooperation von großen Herz-Sesseln, Intarsien-Kommoden und supermodernen Leuchten in den Bann gezogen. Da geht es fröhlich durch die Jahrhunderte: Die Sitzplätze sind ein Werk des zeitgenössischen Künstlers Ron Arad. Die Palisanderholz-Kommode stammt aus dem 18. Jahrhundert und verbrachte einst ihre Zeit inmitten der mallorquinischen Bankiersfamilie March. Die Leuchten kommen aus der Schmiede des deutschen Leuchten-Designers Ingo Maurer aus München.

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„Sieben Raten in der guten Stube“

Und was sind das nur für Kreationen! Zum Beispiel das Exemplar „Seven Rats“. Die „Sieben Ratten“ sind unbestritten der Star eines jeden Kindes, das auch nur einen Fuß bei Toni Garau über die Schwelle setzt. Man muss es eher als Skulptur denn Lichtspender bezeichnen, es ist ein echter Hingucker – bei dem man allerdings nicht genau weiß, ob man sich gruseln oder vor sich hin schmunzeln soll. Wer hätte gedacht, dass Rattenkäfige es noch mal als Deko in die gute Stube schaffen.

Mit viel Gefühl hat Toni Garau die Objekte platziert. Keines stiehlt dem anderen die Show. Protagonist jedes für sich, doch harmonieren sie bestens. Farben wurden dezent zusammen oder mit Verve gegeneinander gestellt. An einer Wand hängen gleich vier Pollocks. Doch sind sie im Gegensatz zu ihren Kunstkollegen im Haus nicht echt. „Das sind Reproduktionen“, gibt Toni Garau freimütig zu. „ Dieses Quartett würde im Original etwa neun Millionen Euro kosten.“ Das ist dann vielleicht doch ein wenig viel für ein Landhaus. Toni setzt sich über ein Tabu hinweg: Wer sagt, dass man nicht Original und Fälschung kombinieren kann?

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Acrylharz, Pigment, Wachs, Beton

Im Treppenaufgang ist die wunderbare Mallorquinerin María Carbonero gleich zweimal zu sehen. Beeindruckend ihre afrikanischen Köpfe, die den Betrachter so merkwürdig tief berühren. Eines der Werke ist auf einer alten Tapete entstanden, die bei María Carbonero früher in ihrem Haus an der Wand klebte. Woran man sieht: Die Materialien, mit und aus denen die Arbeiten im Hause Garau geschaffen wurden, sind höchst vielfältig – Tapeten, Leinwand, Papier, Karton, Ölfarbe, Acryl, Wachs, Bleistift, Kunststoff, Bronze, Zement, Messing, Stein, Stahl, Silberdraht, Eisen …  Die Skulptur „Ultramarin Blau Dunkel Dark“ des Deutschen Herbert Hamak etwa besteht aus Acrylharz, Wachs, Pigment, Bindemittel auf Leinwand und wurde 2005 bis 2011 geschaffen – ganz in Blau, versteht sich.

Für die „Amistades“ von Franco Monti (2003), eine zweiteilige, braune Skulptur – schlicht, schnörkellos, stabil war Beton der Werkstoff der Wahl. Was man ihr allerdings in keiner Weise ansieht.

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Hommage à Rafa Forteza

Apropos Freundschaft. Sie verbindet Toni Garau seit vielen Jahren mit dem Künstler Rafa Forteza. Er besitzt von ihm zahlreiche Werke. Denn für ihn ist Forteza der beste zeitgenössische Künstler, der auf der Insel Mallorca lebt und arbeitet. Der Mann aus Barcelona, geboren 1955, ist dabei durchweg anerkannt. Seine Werke hängen in so berühmten Kunstzentren wie dem Museum of Modern Art in New York, der Hermitage in St. Petersburg, dem Centre George Pompidou in Paris oder dem Reina Sofía Museum in Madrid. So zählt er denn auch zu Garaus Lieblingen. Weitere Favoriten? Der Kunsthändler tut sich schwer, nennt dann doch, zögernd zwar, Zush Evru, den Spanier, der in seiner Art ein wenig an Joan Miró erinnert. Und die Deutschen Frank Gerritz und Herbert Hamak. „Ich mag“, sagt er, „auch diffizile Werke, die andere vielleicht nicht verstehen.“

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Kunst aus zwei Jahrtausenden

Insgesamt wird hier Kunst aus zwei Jahrtausenden gezeigt. Das hört sich großartig an, und so ist es auch. Bei den ältesten „Ausstellungsstücken“ nämlich handelt es sich um zwei sehr schlichte Terrakotta-Figuren aus der Han-Dynastie (206 vor Chr. – 220 nach Chr.). Und das jüngste, das schwarz-graue Ölbild „Innere Unendlichkeit“ von Ñaco Fabre, wurde 2013/14 geschaffen. Toni Garaus Hängelust macht selbst vor der Garage nicht halt. Denn dort trifft man unter anderem auf ein Bild des Spaniers David Rodríguez, der bereits mit dem spanischen Nationalen Preis für Malerei ausgezeichnet wurde und der in New York schon schwer in Mode war. Auch der Garten ist vor Garaus Kunst sicher. Das wäre ja noch schöner. Neben dem Pool steht Pep Llambias rote Skulptur aus der Serie „Landscape“. Wo würde sie besser hinpassen, als in diesen Teil des Gartens, der den Blick auf die Berge freigibt …

Fotos: Susanne Polzin