Im Reich der Finsternis

Hoehlenwanderung auf Mallorca

Haben Sie Lust auf ein Abenteuer? Dann nehmen wir Sie mit auf eine kleine Expedition in Mallorcas Unterwelt. Unser Expeditionsleiter heißt Patrick John. Er ist Wanderführer und Experte für aufregende Ausflüge über und unter der Erde. Das Ziel dieser Reise in Mallorcas faszinierende Unterwelt heißt: Cova de Cornavaques – die Höhle des Puig Cornavaques bei Pollença.

Hoehlenwanderung auf Mallorca

Vor das Abenteuer habe die Götter den Schweiß gesetzt

Doch vor das Abenteuer haben die Götter den Schweiß gesetzt. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Denn zum versteckten Eingang der Höhle heißt es erst einmal: klettern! Und das den halben Berg hoch im Torrent, durch den im Frühjahr das Schmelzwasser des Puig Cornavaques zu Tal schießt. Der hat im Laufe der Jahrmillionen eine ganze Menge scharfkantiger Steine und Felsen angesammelt. Und da müssen wir rüber …

Overalls, Schutzhelme, Seile …

„Im Sommer ist das unmöglich, da bekommt man beim Aufstieg einen Hitzeschlag“, warnt Patrick John. Man glaubt ihm sofort. Denn hier gibt es keinen Schatten, nur Steine, Felsbrocken, manche so riesig, dass wir ganz schön klettern müssen. Dazu die Rucksäcke, die das nicht gerade einfacher machen. Patrick hat den schwersten. Denn da steckt neben Wasser und der Tagesverpflegung noch die Ausrüstung drin, und die ist nicht gerade ohne: Overalls, Schutzhelme mit Lampen, Seile, Klettergeschirr zum Abseilen, Stiefel, …

Hoehlenwanderung auf Mallorca

Der Eingang ist versteckt

Zwei Stunden geht’s hinauf. Das heißt natürlich: auch zwei Stunden nachher wieder runter. Irgendwann erreichen wir ein paar Büsche. „Hier geht’s rein!“, verkündet Patrick mit Kennerblick. Wo hier? Er schiebt ein paar Zweige weg. Wirklich, da ist ein Loch im Felsen. Ziemlich klein, finde ich, und dahinter verdammt dunkel. Doch bevor wir abtauchen, ist erst einmal Kleiderwechsel angesagt. Also rein in den Overall, der unsere Sachen schützen soll, das Gurtzeug anlegen, den Schutzhelm auf, es könnte uns ja ein Stalaktit am Kopf pieksen. Jetzt noch die Lampe an und rein in die Unterwelt.

Ein enger Gang führt nach unten, aber nur kurz. Dann heißt es wieder klettern. So acht Meter werden es sein. Gefühlt 100, denn die Kalkfelsen sind nass und rutschig. „Am besten ist, wenn man wen dabei hat, der Freikletterer ist“, meint Patrick. Habe ich ja: Patrick. Er klettert vor, befestigt das Seil. Klasse, so geht’s. Dafür darf ich an der anderen Seite wieder fünf Meter runter. Und dann stockt mir der Atem. Wir sind in einer großen Halle. 20 Meter hoch ist sie und riesig. Unsere Lampen beleuchten eine andere Welt. Von oben nähern sich mächtige Stalaktiten dem Höhlenboden, von unten bauen sich Stalakmiten auf, die sich teilweise mit den Stalaktiten vereinigen. Die Farben sind braun, orange, beige, weiß.

Hoehlenwanderung auf Mallorca

Da fühlt man sich ganz klein

„Wow, das ist ja irre!“, meine Stimme hallt in der Höhle. Blöder Satz angesichts solcher Naturwunder. Ich sehe, staune, fühle mich ganz klein. Patrick verschwindet hinter einer Tropfsteinformation, taucht wieder auf. Es sieht aus, als säße er im Maul eines riesigen See-Ungeheuers. Es ist gigantisch. Dazu der Gedanke, dass es nur wenige Menschen gibt, die solche Wunder der Natur sehen und erleben dürfen. Es ist nicht kalt hier unten, aber ich bekomme eine Gänsehaut …

Es geht weiter ins Innere des Berges. Vorbei an mächtigen Stalaktiten, die zehn oder zwölf Meter lang sind, die wie Baumwurzeln wirken. Es sind Wurzeln von Bäumen da oben im Sonnenlicht, die in die Höhle wachsen und gesintert sind. Die Höhle ist riesig, immer weiter geht es in die Unterwelt. Mal ist es so schmal, dass man sich durchzwängen muss, dann wieder große Hallen, Und dann das scheinbare Ende, nur noch ein kleines Loch in der Höhlenwand.

Hoehlenwanderung auf Mallorca

Kaskaden aus flüssigem Gold

„Lust auf mehr?“ Patrick grinst und zwängt sich durch das Loch. Also, wer der Gruppe XXL angehört, sollte hier umkehren, wer Platzangst hat auch. Auch Höhenangst ist jetzt nicht wirklich hilfreich. Denn nach dem engen Durchschlupf geht es runter; und das endlos. 20 Meter wenigstens, das ist wie abseilen von einem sechsstöckigen Haus. Aber wenn man sich erst einmal traut und am Seil hängt, ist es einfacher, als man gedacht hat. Und es ist ein Abseilen in eine großartige Welt. Die Halle ist groß wie das Schiff einer Kirche. Überall Tropfstein in den verschiedenen Formen. Manche Stalaktiten sind wie riesige Speere, die sich scheinbar in der nächsten Sekunde in den Boden bohren würden. Andere Tropfsteingebilde wirken wie riesige Pilze, wieder andere wie Wasserfälle aus Stein oder Kaskaden aus flüssigem Gold.

Ein magischer Ort, der auch ein wenig Angst macht

Sehen, staunen, sich glücklich fühlen. Es ist ein magischer Ort, vor dem man sich gleichzeitig ein wenig fürchtet. Lange bleiben wir unten. Dann geht es am Seil wieder die 20 Meter hoch. Nein, keine Bange, es ist nicht schwierig, wenn man die Technik kennt. Und Patrick den Laien perfekt ein. Ich schaue auf die Uhr. Wir gehen den Weg zurück, den wir gekommen sind, bis wir draußen wieder Tageslicht sehen. Vier Stunden waren wir in Mallorcas Unterwelt. Die Sonne hat uns wieder. Wir schälen uns aus den jetzt schmutzigen Overalls, Helm ab, Stiefel aus, alles in die Rucksäcke gepackt. Dann geht es wieder durch den Torrent und über die Felsbarrieren nach unten. Es dauert so lange wie der Aufstieg: zwei Stunden.

Als wir am Auto sind, geht die Sonne blutrot über den Gipfeln der Serra de Tramuntana unter. Wir waren wirklich acht Stunden unterwegs, bei unserer Expedition in die Cova de Cornavaques. Mallorca verfügt übrigens über die meisten Höhlensysteme pro Quadratmeter in Europa. Die unterirdische Welt ist Millionen von Jahren alt. Kontakt zu Patrick John über Telefon (0034 680 322 171), info@maryroc.de oder patrick@espeleo-mallorca.com

Fotos: Patrick John